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Like a Dream

Bücher-Blog des homoerotischen Internetportals "Like a Dream" (www.like-a-dream.de). Hier werden vorwiegend homoerotische Romane vorgestellt, aber auch Kinder- und Jugendbücher.

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Dunkelsprung

Dunkelsprung: Vielleicht kein Märchen - Leonie Swann

Story:

Nach dem plötzlichen Frosttod seiner kleinen Floh-Darsteller und einem ungewollten Beinah-Selbstmord nimmt das Leben des Flohzirkusdirektors und Goldschmiedemeisters Julius Birdwell eine rasante Wendung. Nicht nur verspricht er einer Nixe als Gegenleistung für seine Rettung aus den Fluten der Themse ihre Schwester aus den Fängen des Magiers Fawkes zu befreien, er stolpert auch über die geheimnisvolle Elisabeth Thorn, die seine Flöhe wiederbelebt, Hörner hat und ebenfalls ein Hühnchen mit dem Magier zu rupfen hat. Nach und nach wird klar, dass in den Schatten Londons weitere seltsame Kreaturen leben und Julius in ein Abenteuer stolpert, das weit größer ist, als es den Anschein hat. Zu ihm stößt der verrückte Privatdetektiv Green, der den seltsamen Legulas mit sich spazieren trägt und sich in Elisabeth verliebt. Gemeinsam kommen sie der Wahrheit um Fawkes auf die Schliche und entdecken Wesen, die es eigentlich nur in Märchen geben sollte …


Eigene Meinung:

Mit den Schafkrimis "Glenkill" und dem Nachfolger "Garou" gelang der Autorin Leonie Swann auf Anhieb ein weltweiter Erfolg. Nun erschien beim Goldmann Verlag der langersehnter dritte Roman der deutschen Autorin; dieses Mal handelt es sich um ein Urban Fantasy-Buch, das den Leser ins London der heutigen Zeit entführt. Damit betritt Leonie Swann eine gänzlich neue Plattform und versucht sich als Fantasy-Autorin einen Namen zu machen.

 

Dieser Sprung ins neue Genre gelingt ihr leider nur bedingt, was vor allem daran liegt, dass die Geschichte ungemein verworren und chaotisch aufgebaut ist. So braucht der Leser die Hälfte des Buches, um wirklich in die Handlung von "Dunkelsprung" einzutauchen. Seien es die skurrilen Figuren, die Sprünge in den Perspektiven oder die Logiklöcher - sie erschweren den Einstieg und das Lesen, machen es schwer sich mit den Charakteren zu identifizieren. So bunt und interessant die Welt im Hintergrund ist, sie bleibt ungemein blass, bekommt keinen Farbe und keinen Tiefgang. Dabei sollte die Feenwelt, um die es geht, zwar skurril und schwer greifbar, aber auch bunt und lebendig sein. Sie kommt zu kurz, da es an Erklärungen mangelt, ist aber gleichzeitig in ihrer Form zu ausführlich und ausufernd, da es zu viele Charaktere, Lebewesen und Perspektiven gibt.

 

Leonie Swann verschenkt eine Menge Potenzial, denn der Roman wirkt eher wie eine Ansammlung an Ideen und genialen Einfällen, die nicht zu Ende gedacht und zusammengeführt werden. Die Welt der Feen fügt sich nicht in die Realität ein, London wirkt ebenso wenig greifbar, wie die Figuren. Im Vergleich dazu ist die "Die Flüsse von London"-Reihe, die ebenfalls in der Hauptstadt Groß Britanniens spielt und in der man auch den fantastischen Wesen der Feenwelt begegnet, wesentlich gelungenere Urban Fantasy Lektüre.

 

Die Charaktere können leider ebenso wenig überzeugen, wie die verworrene, unzusammenhängende Geschichte. Seien es Julius Birdwell und seine Flöhe, der Privatdetektiv Green und sein Alter-Ego Black, die geheimnisvolle Elisabeth Thorn und all die bunten Charaktere - sie bleiben unheimlich blass und sind nur schwer zu greifen. Der Funke springt einfach nicht über, was vor allem daran liegt, dass dem Leser der "Normalo" fehlt - wirklich alle Charaktere sind speziell. Es scheint niemanden zu geben, der die Ereignisse skeptisch beobachtete und bewertet. Julius ist überraschend schnell mit von der Partie, wenn man bedenkt, dass er vor den ehemaligen Ganoven-Kollegen seines Großvaters Angst hat; der seltsame Legulas, den Green bei seinen Recherchen aufstöbert, scheint für ihn ebenso normal zu sein, wie Baum-Labyrinthe und gehörnte Frauen. Sicher wird das erklärt, aber man kann es einfach nicht (be)greifen. Die Autorin verliert den Leser bereits am Anfang und schafft es erst zum Ende hin, ihn wieder abzupassen und mitzunehmen.

Von den vielen Nebenfiguren, wie Rose und Emily, die wichtig erscheinen und dann plötzlich von der Bildfläche verschwinden, oder wichtigen Gegenständen und Ereignissen, die plötzlich vergessen werden, will ich gar nicht erst anfangen. Es funktioniert nicht - Leonie Swann gelingt es nicht den Leser zu packen und in ihre Fantasywelt zu entführen.

 

Auch stilistisch bereitet "Dunkelsprung" dem Leser Probleme. Die Geschichte besticht durch viele Zeitsprünge, Perspektivwechsel und Ungenauigkeiten. Am schwersten ist es, der Handlung aufgrund der unterschiedlichen Handlungsträger zu folgen - Leonie Swann erzählt vorwiegend aus Birdwells und Greens Sicht, aber auch Elisabeth und die Flöhe kommen zu Wort. Selbst Fawkes, dessen Passagen als einzige im Präsens geschrieben sind, lernt der Leser kennen, ohne dass man wirklich eine nähere Bindung zum Antagonisten aufbaut.

 

Dabei ist Leonie Swanns Stil nicht schlecht: bildgewaltig, leicht philosophisch und durchaus fesselnd - wer "Glenkill" und "Garou" kennt, weiß um die vielen Perspektivsprünge die es in den Schafkrimis gibt. Dieses Mal gelingt es ihr allerdings nicht, dem Buch eine gewisse Dreidimensionalität zu verleihen. Stattdessen stiftet die Autorin Verwirrung und machte es schwer dem roten Faden zu folgen. Auch fehlen Erklärungen, Hintergrundbeschreibungen und oftmals die Logik, um das Buch wirklich zu genießen. Es könnte viel mehr sein, wenn sich Leonie Swann auf einen Charakter konzentriert und die Handlung dieses Mal aus einer Sicht erzählt hätte.


Fazit:
"Dunkelsprung“ von Leonie Swann ist ein ambitioniertes, in den Grundzügen spannendes Buch, das jedoch den Leser schon am Anfang verliert und über weite Teile nicht fesseln kann. Die Geschichte ist zu unausgegoren und unlogisch, das im Klappentext zitierte Märchen ist überhaupt nicht vorhanden und die Charaktere sind zu skurril, chaotisch und blass, um beim Lesen Halt zu geben. In Kombination mit den Perspektivsprüngen und dem teils schwer lesbaren Schreibstil, kann Leonie Swann mit ihrem Urban Fantasy nur schwer überzeugen. Schade – Fans der Schafkrimis sollten eher bei den sympathischen Helden aus „Glenkill“ und „Garou“ bleiben, versierte Fantasy-Leser einen Blick in die Leseprobe werfen.

 

Diese Rezension erschien im Original auf "Splashbooks"

Quelle: http://www.splashbooks.de/php/rezensionen/rezension/21806/dunkelsprung